„Säkularismus ist die Lösung – auch in der Flüchtlingsfrage!“
gbs-Sprecher Michael Schmidt-Salomon bezieht Stellung zur aktuellen Flüchtlingsdebatte
Auf der Internationalen Konferenz „Give Peace A Chance: Säkularismus und globale Konflikte“ im Mai dieses Jahres hielt Michael Schmidt-Salomon einen Vortrag mit dem Titel „Säkularismus ist die Lösung! – Über Religion und Gewalt“. Die heutige Veröffentlichung des Vortragstextes auf der Website der Giordano-Bruno-Stiftung nahm der gbs-Sprecher zum Anlass, um zur aktuellen Flüchtlingsdebatte Stellung zu beziehen.
In seinem Vortrag hatte Schmidt-Salomon dargelegt, dass es „ohne säkulare Gesellschaftsnormen, ohne konsequente Trennung von Staat und Religion, nirgends Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit“ geben könne. Damals sei er zwar nicht explizit auf den Umgang mit Flüchtlingen eingegangen, erklärte der gbs-Sprecher, die Konsequenzen würden jedoch auf der Hand liegen: „Die aktuellen Debatten haben vor Augen geführt, dass Europa ein klareres säkulares Profil benötigt, um politisch nicht auseinanderzubrechen und zu einem menschenwürdigen Umgang mit Männern, Frauen und Kindern zu finden, die in höchster Not zu uns flüchten.“
Scharf ging Schmidt-Salomon dabei mit dem rechts-konservativen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán ins Gericht, der die massive Abschreckungspolitik seines Landes gegenüber den Flüchtlingen als Maßnahme zur Stabilisierung der „christlichen Kultur Europas“ ausgewiesen hatte. „Offenkundig hat Orbán keine Ahnung von den Wurzeln der europäischen Kultur!“, sagte Schmidt-Salomon. „Denn es ist völlig klar, dass die Freiheiten, die wir heute in Europa genießen, nicht auf ‚christlichen Werten‘ beruhen, sondern auf der fast vollständigen Emanzipation von diesen Werten.“
Eine „falsche, ideologische Identitätspolitik“ verschärft Gruppenkonflikte
Der gbs-Sprecher verwies in diesem Zusammenhang auf die im Juni erschienene Stiftungsbroschüre „Die Legende vom christlichen Abendland“ sowie die Vorgängerbroschüre „Selbstbestimmung statt Gruppenzwang – Gegen Islamismus UND Fremdenfeindlichkeit“, die von der Giordano-Bruno- Stiftung „nicht zuletzt auch im Hinblick auf die zu erwartenden Flüchtlingsströme herausgebracht wurden“: „Beide Broschüren kritisieren eine falsche, eine ideologische Identitätspolitik, die Menschen unzulässig über einen Kamm schert, abstrakte Feindbilder aufbaut und dadurch die Gefahr religiöser oder ethnischer Gruppenkonflikte erhöht. Was wir heute brauchen, ist eine Politik, die solche Gruppennormierungen durchbricht, die den einzelnen Menschen fokussiert – nicht seine Herkunft. Wir brauchen eine Politik, die althergebrachte Ressentiments überwindet und sich an den säkularen Traditionen orientiert, die Europa wirklich stark gemacht haben, nämlich die Leitideen von Humanismus und Aufklärung.“
Sollte dies beherzigt werden, meinte Schmidt-Salomon, könnte der Zustrom von Migranten letztlich sogar zu einer Stärkung statt zu einer Schwächung des säkularen Profils Europas führen: „Es sollte klar sein, dass es zutiefst unmenschlich ist, Flüchtlinge durch Nato-Stacheldraht, unwürdige Unterbringung und unzureichende Versorgung abzuschrecken. Solche Maßnahmen, wie sie derzeit vor allem in Osteuropa ergriffen werden, sind durch nichts zu legitimieren! Legitim und politisch sinnvoll wäre es aber, wenn Europa – und hier: insbesondere das als Flüchtlingsziel besonders beliebte Deutschland – seine Säkularität sehr viel deutlicher nach außen kommunizieren würde. Flüchtlingen sollte schon vor der Einreise klar sein, dass Europa (bzw. Deutschland) dem Prinzip der offenen Gesellschaft folgt, dass sich die Religionen hier dem Gesetz unterordnen müssen, dass Männer und Frauen, heterosexuelle und homosexuelle Menschen gleiche Rechte besitzen, dass Kinder nicht geschlagen werden dürfen und die Verehrung des Propheten Mohammed bzw. des christlichen Messias kein höheres soziales Ansehen genießt als etwa die Verehrung von Borussia Dortmund, Monty Python oder Dolly Buster! Wer partout nicht will, dass seine Kinder in einer solch freien Gesellschaft aufwachsen, wird sein Exil freiwillig außerhalb Europas suchen. Wer hingegen für sich und seine Angehörigen einen solchen Ort der Freiheit sucht, den sollten die Europäer – nicht nur aus Gründen der Humanität, sondern auch im eigenen Interesse angesichts der drohenden Überalterung der europäischen Nationen – mit offenen Armen empfangen und ihm schnellstmöglich alle Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe eröffnen.“
Bodo Ramelows Reaktionen auf die Tumulte in Suhl waren „grotesk und unverantwortlich“
Als „völlig grotesk und politisch unverantwortlich“ bezeichnete Schmidt-Salomon in diesem Zusammenhang die Reaktionen des thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) auf die Ereignisse im Flüchtlingslager Suhl. Vor einem Monat hatten dort zwanzig muslimische Flüchtlinge versucht, einen von den Taliban geflohenen Mann aus Afghanistan zu lynchen, nachdem bekannt geworden war, dass dieser angeblich Seiten aus dem Koran die Toilette heruntergespült hatte. In einem Tagesschau-Interview hatte Ramelow den Vorfall folgendermaßen kommentiert: „Es gibt kein Recht, einen Koran zu zerreißen und in eine Toilette zu schmeißen. Es gibt kein Recht, die Bibel zu beschmutzen. Es gibt aber auch kein Recht, dass der, der sich verletzt fühlt, meint, er könnte einfach den anderen lynchen.“
„Von deutschen Politikern bin ich ja einigen Kummer gewohnt“, erklärte Schmidt-Salomon dazu, „dennoch hätte ich beim besten Willen nicht damit gerechnet, dass ein Ministerpräsident – und dann auch noch ausgerechnet ein nomineller Linker! – im Fernsehen das ‚Beschmutzen“ eines religiösen Textes mit einem versuchten Lynchmord gleichsetzt! Eigentlich hätte Ramelow nach dieser katastrophalen Entgleisung sofort zurücktreten müssen! Denn selbstverständlich ist es das gute Recht eines jeden Menschen in Deutschland, mit dem Koran oder der Bibel das zu tun, was er tun möchte – zumindest, sofern ihm das jeweilige Buch gehört. Will er den Koran entsorgen, sollte er dafür wohl eher die Papiertonne benutzen als die Toilette, aber auch Letzteres ist natürlich nicht verboten. Ebenso wenig ist es verboten, Koran oder Bibel real oder virtuell, indem man sich über die vermeintlich ‚Heiligen Schriften‘ lustig macht, zu beschmutzen. All dies ist in einer freien Gesellschaft aus guten Gründen nicht nur erlaubt, es wird von guten Kabarettisten, Cartoonisten, Künstlern, die sich einigermaßen am Puls der Zeit befinden, sogar erwartet! Ganz und gar nicht erlaubt ist es aber, Gewalt anzuwenden, weil man sich in seinen ‚religiösen Gefühlen‘ verletzt fühlt. Indem Ramelow die Grenze zwischen Erlaubtem und Verbotenem verwischte, beschädigte er das säkulare Profil unserer Gesellschaft und schuf eine unschöne Rechtfertigung für künftige Gewalttaten. Militante Islamisten werden durch derartige Stellungnahmen ganz gewiss nicht abgeschreckt, nach Deutschland zu kommen, man lädt sie vielmehr dazu ein, die Grenzen des Rechtsstaates auszureizen.“
Weitere gbs-Stellungnahmen zum Flüchtlingsproblem folgen
Zu den Ursachen der Flüchtlingskrise und den schwerwiegenden Problemen ihrer Bewältigung wird die Giordano-Bruno-Stiftung in den kommenden Wochen und Monaten Stellung beziehen. Hier finden Sie vorab den Vortragstext von Michael Schmidt-Salomon vom Mai 2015, der die Notwendigkeit einer säkularistischen Positionierung herausstellte. Zudem können Sie hier die PDF-Versionen der in dieser Meldung angesprochenen Stiftungsbroschüren direkt herunterladen: Broschüre „Selbstbestimmung statt Gruppenzwang – Gegen Islamismus UND Fremdenfeindlichkeit“ (Dezember 2014) / Broschüre „Die Legende vom christlichen Abendland“ (Juni 2015)