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Petitionsausschuss lehnt Grundrechte für Menschenaffen ab

Deutsche Politik hinkt der internationalen Tierethik-Debatte hinterher

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Foto: Colin Goldner

Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags hat die Petition „Grundrechte für Menschenaffen“, die darauf abzielte, Schimpansen, Bonobos, Gorillas und Orang-Utans als Rechtspersonen anzuerkennen, abgelehnt.  „Wir hatten mit nichts anderem gerechnet, denn aus der Sicht des traditionellen christlichen Menschenbildes ist die Aufhebung der sakrosankten Trennlinie zwischen Mensch und Tier ein unerhörter Tabubruch“, erklärte der Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon. Dennoch sei die Petition nicht vergeblich gewesen, „da sie die gesellschaftliche Debatte über Tierethik stark befruchtet hat.“

Schmidt-Salomon hatte die Petition, deren Text in Kooperation mit verschiedenen Tierrechtsorganisationen erarbeitet wurde, am 23. April 2014 beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags eingereicht. Zwei Wochen später, am 8. Mai 2014, stellte er sie zusammen mit der Studie „Lebenslänglich hinter Gittern – Die Wahrheit über Gorilla, Orang-Utan & Co. in deutschen Zoos“ von Colin Goldner (Leiter der deutschen Sektion des „Great Ape Project“) im Haus der Bundespressekonferenz vor. Die Pressekonferenz, an der neben Schmidt-Salomon und Goldner auch Dieter Birnbacher (Vorsitzender der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer), Eisenhart von Loeper (langjähriger Vorsitzender des Bundesverbandes „Menschen für Tierrechte“) und Laura Zimprich (Vorsitzende des Tier-und Artenschutzvereins „animal public e.V.“) teilnahmen, erzielte eine enorme, nahezu ausschließlich positive Medienresonanz (die ZEIT beispielsweise widmete dem Thema eine mehrseitige Titelgeschichte).

Umso erstaunlicher war es, dass sich der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags weigerte, die Petition zu veröffentlichen (obgleich dies eigentlich ein Standardverfahren ist). Der Ausschuss wollte die Petition sogar ohne weitere Behandlung abschließen. Michael Schmidt-Salomon setzte sich dagegen wie auch gegen die eigentümliche Begründung des Ausschusses im Juni 2014 energisch zur Wehr (siehe den Artikel „Verfassungsziel Speziesismus?“). In der nun, mehr als ein Jahr später erfolgten Ablehnung der Petition geht der Petitionsausschuss auf keines der Argumente ein, mit der Schmidt-Salomon die Argumentation des Ausschusses aus den Angeln gehoben hatte. „Verwundert hat mich das nicht“, erklärte der Philosoph dazu. „In der Politik zählen rationale Argumente nun einmal weniger als Interessen. Bedauerlicherweise gibt es jedoch keine starke Lobby für die Berücksichtigung evolutionsbiologischer Erkenntnisse in der Ethik, dem Recht und der Politik – wohl aber einen massiven Lobbyismus zur Aufrechterhaltung des religiös geprägten Menschen- und Weltbildes.“

Die internationale Debatte ist weiter

Auch für Colin Goldner, den Leiter des Great Ape Project in Deutschland, kam die „Ablehnung der Petition nicht unerwartet, auch wenn die Begründung nicht eben auf der Höhe des tierethischen Diskurses liegt“: „In Argentinien ist man da weiter. Dort wurden Ende 2014 per Gerichtsentscheid einem nicht-menschlichen Lebewesen, nämlich der Orang-Utan-Dame SANDRA, die im Zoo von Buenos Aires zur Schau gestellt wird, Persönlichkeitsgrundrechte zugesprochen. Kurze Zeit darauf erkannte eine Richterin des Obersten Gerichtshofes in New York zwei in einem Versuchslabor gefangengehaltene Schimpansen implizit als juristische Personen an. Sie ordnete eine Art Haftprüfung (Order to Show Cause) für die Schimpansen HERCULES und LEO an, die seit Jahren an der New Yorker Stony Brook University für biomedizinische Experimente missbraucht werden. Auch wenn das Court Hearing noch keine Entscheidung brachte, hat die Anordnung des New Yorker Gerichtes, zusammen mit dem Gerichtsentscheid in Sachen SANDRA, jetzt schon enorme Signalwirkung. Sie weist auf einen sich vollziehenden Paradigmenwandel hin, dem für das Leben tausender Menschenaffen, die bis heute in Laboren, Zirkussen und Zoos gefangen gehalten werden, existentielle Bedeutung zukommt.“

Invasive Versuche an Menschenaffen nicht kategorisch verboten

Goldner äußerte sich auch kritisch zu einer Passage in der Ablehnungsbegründung, in der es heißt, dass sich in § 23 der Tierschutz-Versuchtstierverordnung ein grundsätzliches Verbot der Verwendung von Primaten in Tierversuchen finde und Ausnahmen hiervon „insbesondere bei Menschenaffen nur in eng umschriebenen Fällen“ möglich seien: „Tatsächlich zeigt ein näherer Blick auf den Verordnungstext, dass die Genehmigung keineswegs nur in ‚eng umschriebenen Fällen‘ möglich ist, sondern dass invasiven Versuchen weiterhin Tür und Tor geöffnet sind. Es ist wohl zutreffend, dass seit November 2010 invasive Versuche an Großen Menschenaffen in den Staaten der EU nicht mehr statthaft sind (Richtlinie 2010/63/EU), allerdings gilt dies nicht kategorisch.“

„In Deutschland“, so Goldner, „dürfen nach § 23 der Tierschutz-Versuchtstierverordnung Primaten, also auch Große Menschenaffen, weiterhin verwendet werden, wenn der jeweilige Versuch folgenden Zwecken dient: a) der Grundlagenforschung, b) dem Zweck des Vorbeugens, Erkennens oder Behandelns von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder körperlichen Beschwerden bei Menschen, die lebensbedrohlich sein können oder zu einer Verminderung der körperlichen oder geistigen Funktionsfähigkeit führen, oder der Entwicklung und Herstellung sowie Prüfung der Qualität, Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit von Stoffen oder Produkten hinsichtlich der genannten Beeinträchtigungen der menschlichen Gesundheit oder c) der Forschung im Hinblick auf die Erhaltung der Arten, sofern wissenschaftlich begründet dargelegt ist, dass der Zweck des Tierversuchs nicht durch die Verwendung anderer Tierarten als Primaten erreicht werden kann.“ (siehe: www.gesetze-im-internet.de/tierschversv/BJNR312600013.html)

Goldners Fazit: „Das Verbot invasiver Versuche an Primaten (bzw. an Großen Menschenaffen, die keineswegs besonders gewertet werden) kann jederzeit und auf einfachem Wege unterlaufen werden. Innerhalb der EU gilt insofern nur in Österreich und den Niederlanden ein absolutes Verbot, in Deutschland eben nicht. Es stimmt, dass in deutschen Pharma- und Forschungslabors seit mehr als 20 Jahren keine Großen Menschenaffen mehr eingesetzt wurden, dies aber nicht aus ethischen Gründen, sondern aus finanziellen (ein Schimpanse ist im ‚Verbrauch‘ sehr viel teurer als ein Makake).“

Giordano-Bruno-Stiftung wird die Forderungen des GAP weiter unterstützen

Schmidt-Salomon verdeutlichte, dass sich die Giordano-Bruno-Stiftung durch die Ablehnung der Petition nicht davon abbringen ließe, die Forderungen des Great Ape Project zu unterstützen: „Die Zeit ist reif für eine grundlegende Revision unseres Verhältnisses zu nichtmenschlichen Tieren! Die evolutionsbiologischen Befunde sind so erdrückend, dass wir auf Dauer nicht mehr an den alten anthropozentrischen Denkmustern festhalten können. Künftige Generationen werden dem Speziesismus unserer Tage wohl mit der gleichen Fassungslosigkeit begegnen, mit der wir heute auf den Rassismus und Nationalismus vergangener Epochen zurückblicken.“